In einer zunehmend digitalisierten Welt revolutionieren Smart Contracts die Art, wie wir Verträge abschließen und ausführen. Trotzdem mangelt es in Deutschland oft noch an fundierten Informationen und Wissen zum wichtigen Thema Smart Contracts. Digitoren.de erläutert darum hier die zentralen Aspekte dieses wichtigen Themas.

 

Einleitung: Was sind Smart Contracts?

Ein Smart Contract ist ein digitaler, selbstausführender Vertrag, der auf der Blockchain-Technologie basiert und dessen Vertragsbedingungen direkt im Programmcode enthalten sind2. Diese intelligenten Verträge funktionieren nach dem einfachen „Wenn-Dann-Prinzip“ und werden automatisch ausgeführt, sobald vordefinierte Bedingungen erfüllt sind – ganz ohne menschliches Zutun oder die Notwendigkeit eines Mittelsmanns.

Der Begriff „Smart Contract“ geht auf den Informatiker und Anwalt Nick Szabo zurück, der bereits in den 1990er-Jahren das Konzept intelligenter Verträge entwickelte. Szabo beschrieb Smart Contracts als Computerprotokolle, die Verträge abbilden oder deren Abwicklung technisch unterstützen. Heute, mehr als zwei Jahrzehnte später, hat sich diese Vision dank der Blockchain-Technologie zur Realität entwickelt.

 

Die Funktionsweise von Smart Contracts

Grundprinzip: Wenn-Dann-Logik

Smart Contracts basieren auf einer simplen, aber mächtigen Logik: Sie übersetzen Vertragsbedingungen in Programmcode und führen automatisch festgelegte Aktionen aus, wenn bestimmte Ereignisse eintreten26. Diese „Wenn-Dann“-Anweisungen werden in den Code einer Blockchain geschrieben, wodurch ein Netzwerk von Computern die Aktionen ausführt, sobald vordefinierte Bedingungen erfüllt und verifiziert wurden.

Das Getränkeautomat-Beispiel

Das bekannteste Beispiel für die Funktionsweise von Smart Contracts ist der Getränkeautomat. Stellen Sie sich vor, Sie werfen eine Münze in einen Automaten und wählen ein Getränk. Der Automat prüft automatisch, ob genügend Geld eingeworfen wurde und das gewählte Produkt verfügbar ist.  Sind beide Bedingungen erfüllt, gibt er das Getränk aus. Fehlt eine Bedingung – beispielsweise ist das Fach leer –, wird das Geld zurückgegeben.

Genau nach diesem Prinzip funktionieren Smart Contracts: Sie prüfen automatisch die Einhaltung aller Vertragsbedingungen und führen die entsprechenden Aktionen aus, ohne dass ein menschlicher Vermittler eingreifen muss.

 

Technische Umsetzung

Die meisten Smart Contracts werden heute auf der Ethereum-Blockchain entwickelt, oft in der Programmiersprache Solidity. Nach der Entwicklung wird der Smart Contract auf die Blockchain hochgeladen und ist dort für jeden einsehbar. Dies gewährleistet Transparenz und ermöglicht es allen beteiligten Parteien, den Code vor der Ausführung zu überprüfen.

Die Smart Contracts warten dann auf das Eintreten der definierten Bedingungen. Sobald diese eintreten – wie beispielsweise ein bestimmtes Datum oder der Eingang einer Zahlung –, löst die Blockchain die im Code festgelegten Aktionen aus. Diese können die Freigabe von Geldern, die Übertragung digitaler Schlüssel oder die Erteilung von Berechtigungen umfassen.

 

Praktische Anwendungsbeispiele

Automatisierte Mietverträge

Ein praktisches Beispiel für Smart Contracts ist die Automatisierung von Mietverträgen. Ein digitaler Mietvertrag könnte folgendermaßen funktionieren: Wenn der erste Tag des Monats erreicht ist, dann überweist der Smart Contract automatisch den Mietbetrag vom Konto des Mieters auf das Konto des Vermieters. Zusätzlich könnte bei Vertragsunterzeichnung und bezahlter Kaution automatisch der digitale Wohnungsschlüssel freigeschaltet werden.

Carsharing und Fahrzeugvermietung

Im Bereich Carsharing zeigen Smart Contracts ihr volles Potenzial. Bei einem blockchain-basierten Carsharing-System erhält jedes Fahrzeug eine eigene Wallet-Adresse und kann eigenständig Transaktionen durchführen. Der Buchungs- und Bezahlprozess läuft vollautomatisch ab: Sobald die Zahlung dem vereinbarten Preis entspricht, ändert sich der Status des Fahrzeugs automatisch von „frei“ auf „gebucht“ und das Fahrzeug kann per Smartphone geöffnet werden.

Lieferkettenmanagement

In der Logistikbranche ermöglichen Smart Contracts die automatische Verifizierung und Dokumentation von Lieferbedingungen. Barclays Corporate Bank nutzt beispielsweise Smart Contracts, um Eigentümerwechsel zu dokumentieren und bei Ankunft von Waren automatische Bezahlungen auszulösen. Sobald die Ware in der vereinbarten Menge und Qualität geliefert wurde, kann der Smart Contract eine vorab definierte Zahlung an den Lieferanten freigeben.

Versicherungsbranche

Smart Contracts revolutionieren auch die Versicherungsbranche durch automatisierte Schadenregulierung. In der Reiseversicherung können Smart Contracts automatisch Flugverspätungen oder -annullierungen erkennen und die Entschädigung unmittelbar auszahlen, ohne dass Versicherte einen Anspruch anmelden müssen. Bei Katastrophenversicherungen können Smart Contracts automatisch Entschädigungen auszahlen, wenn vordefinierte Parameter wie seismische Daten oder Wettermessungen erreicht werden.

 

Vorteile von Smart Contracts

Automatisierung und Effizienz

Der größte Vorteil von Smart Contracts liegt in ihrer vollständigen Automatisierung. Da sie digital und automatisiert ablaufen, entfallen papierbasierende Prozesse und der Zeitaufwand für das manuelle Ausfüllen von Dokumenten. Dies führt zu einer erheblichen Effizienzsteigerung und Kostensenkung.

Vertrauenswürdigkeit und Transparenz

Smart Contracts schaffen Vertrauen durch ihre Transparenz und Unveränderlichkeit. Da keine dritte Partei involviert ist und die verschlüsselten Aufzeichnungen der Transaktionen von allen Teilnehmern gemeinsam genutzt werden, kann nicht hinterfragt werden, ob Informationen zum persönlichen Vorteil verändert wurden. Der Programmcode eines Smart Contracts ist öffentlich einsehbar, was zusätzliche Transparenz schafft.

Kostenersparnis

Durch den Wegfall von Zwischenhändlern und Intermediären entstehen erhebliche Kosteneinsparungen. Während bei klassischen Verträgen Banken, Kanzleien oder Notare das Vertrauen sichern und die Einhaltung der Vertragskonditionen überprüfen, entfällt dieser zusätzliche, zentrale Intermediär bei Smart Contracts. Die Kosten für die Überwachung der Vertragseinhaltung sinken, da diese nicht mehr von einer zentralen Instanz übernommen wird.

Sicherheit und Fälschungsschutz

Blockchain-Transaktionsdatensätze sind verschlüsselt und daher sehr schwer zu hacken3. Da jeder Datensatz mit den vorherigen und nachfolgenden Datensätzen in einem verteilten Ledger verbunden ist, müssten Hacker die gesamte Kette verändern, um einen einzigen Datensatz zu ändern.

 

Risiken und Herausforderungen

Technische Komplexität und Fehleranfälligkeit

Die Erstellung von Smart Contracts erfordert spezialisierte Programmierkenntnisse, was für viele Menschen eine hohe Einstiegsbarriere darstellt. Programmierfehler oder Sicherheitslücken im Code können schwerwiegende Konsequenzen haben und zu finanziellen Verlusten führen. Da Smart Contracts aus reinem Code bestehen, sind sie fehleranfällig und anfällig für Hacker. Eine der zentralen Ressourcen für Smart Contracts in Ethereum ist folgende: https://ethereum.org/de/developers/docs/smart-contracts/

Mangelnde Flexibilität

Smart Contracts sind sehr rigide in ihrer Ausführung. Wenn sich Umstände ändern oder unvorhergesehene Situationen auftreten, kann es schwierig sein, den Vertrag anzupassen, ohne ihn komplett neu zu erstellen. Nach der Aktivierung eines Smart Contracts können keine Änderungen mehr vorgenommen werden.

Rechtliche Unsicherheiten

Smart Contracts sind im rechtlichen Sinne oft keine echten Verträge. Es fehlt meist an transparenter Vertragsdokumentation, verständlicher Sprache für Nicht-Programmierer und klaren Regelungen zu Rücktritt, Haftung oder Gewährleistung. Da Smart Contracts und die Blockchain-Technologie relativ neu sind, besteht in vielen Ländern noch Unklarheit bezüglich ihrer Regulierung und rechtlichen Anerkennung.

Datenschutzaspekte

Falls personenbezogene Daten verarbeitet werden, ist die DSGVO einschlägig. Obwohl zunächst nur Pseudonyme der Nutzer verwendet werden, ist es anhand von Zusatzinformationen möglich, ganze Profile der Nutzer zu erstellen. Somit besteht mindestens ein mittelbarer Personenbezug, wodurch die DSGVO Anwendung findet.

 

Smart Contracts in Deutschland

Aktuelle Marktlage

In Deutschland herrscht noch eine gewisse Zurückhaltung gegenüber Smart Contracts und Blockchain-Technologien. Nur 3 Prozent der deutschen Unternehmen nutzen die Blockchain-Technologie aktiv, während 72 Prozent der deutschen Unternehmen der Blockchain-Technologie kein Interesse entgegenbringen. Diese Zurückhaltung bietet jedoch gleichzeitig Chancen für Unternehmen, die früh auf diese Zukunftstechnologie setzen.

Regulatorischer Rahmen

Deutschland gilt als vorbildlich innerhalb der Europäischen Staatengemeinschaft mit einem sicheren Rechtsrahmen für digitale Vermögenswerte. Seit Anfang 2020 sind Handelsgeschäfte mit digitalen Vermögenswerten durch die BaFin kontrolliert. Dies schafft Rechtssicherheit für Unternehmen und Privatpersonen, die Smart Contracts nutzen möchten.

Praxisbeispiele aus Deutschland

Deutsche Unternehmen beginnen langsam, Smart Contracts zu implementieren. Die Deutsche Bank nutzt Smart Contracts für Couponzahlungen bei Unternehmensanleihen auf einer blockchain-basierten Plattform. Die LBBW und MEAG haben bereits eine rechtswirksame digitale Wertpapiertransaktion ohne papierhaften Parallelprozess auf Blockchain-Basis durchgeführt.

 

Zukunftsausblick und Empfehlungen

Wachstumspotenzial

Smart Contracts stehen noch in den Kinderschuhen und haben enormes Wachstumspotenzial. Es wird erwartet, dass sie immer häufiger eingesetzt werden und letztendlich die Art und Weise, wie wir Verträge abschließen, grundlegend verändern können. Die Technologie wird sich voraussichtlich weiterentwickeln und sicherer werden, insbesondere mit höheren durch Smart Contracts gesicherten Geldbeträgen.

Empfehlungen für Unternehmen

Unternehmen, die Smart Contracts implementieren möchten, sollten zunächst eine umfassende Bewertung durch einen Experten vornehmen lassen. Besonders wichtig ist ein qualitativ hochwertiges Audit, um eventuelle Fehler im Code zu entdecken. Der Grad der Dezentralisierung und die möglichen Auswirkungen von Governance-Entscheidungen sollten aus sicherheitsrechtlichen Aspekten beachtet werden.

 

Praktische Schritte für Einsteiger

Für Einsteiger empfiehlt es sich, zunächst mit einfachen Smart-Contract-Anwendungen zu beginnen und das Verständnis schrittweise aufzubauen. Viele Anbieter stellen heute Smart Contract as a Service (SCaaS) zur Verfügung, wodurch Unternehmen maßgeschneiderte Smart Contracts erhalten können, ohne selbst programmieren zu müssen.

Wichtig ist zudem der bereits angesprochene Umstand, dass Smart Contracts auf Ethereum basieren. Viele langjährige Kryptoinvestoren halten darum Ethereum für besonders zukunftsträchtig. Hätte jemand am 1. Januar 2015 1.000 € in Ethereum investiert, wäre diese Investition heute (bei einem ETH-Preis von ca. 2.300 $) etwas über 3 Millionen € wert – eine beeindruckende Wertsteigerung von über +300.000 %.

 

Fazit: Smart Contracts als Zukunftstechnologie

Smart Contracts haben das Potenzial, die Art, wie wir Geschäfte abwickeln, grundlegend zu revolutionieren. Sie bieten durch Automatisierung, Transparenz und den Wegfall von Intermediären erhebliche Vorteile gegenüber herkömmlichen Verträgen. Gleichzeitig müssen die technischen Risiken, rechtlichen Unsicherheiten und die Komplexität der Technologie berücksichtigt werden.

Für Deutschland bietet sich die Chance, trotz der aktuell zögerlichen Adoption nicht den Anschluss an diese Zukunftstechnologie zu verlieren. Mit dem sicheren regulatorischen Rahmen und der wachsenden Akzeptanz können Smart Contracts in den kommenden Jahren zu einem wichtigen Baustein der digitalen Wirtschaft werden.

Die Technologie steht noch am Anfang ihrer Entwicklung, aber die Grundlagen sind gelegt. Unternehmen und Privatpersonen, die sich heute mit Smart Contracts auseinandersetzen, positionieren sich für eine Zukunft, in der automatisierte, vertrauenswürdige Verträge zum Standard werden könnten. Entscheidend ist dabei, die Balance zwischen den enormen Möglichkeiten und den bestehenden Risiken zu finden und verantwortungsvoll mit dieser revolutionären Technologie umzugehen.

Jens

Dr. Jens Bölscher ist studierter Betriebswirt mit Schwerpunkt Wirtschaftsinformatik. Er promovierte im Jahr 2000 zum Thema Electronic Commerce in der Versicherungswirtschaft und hat zahlreiche Bücher und Fachbeiträge veröffentlicht. Er war langjährig in verschiedenen Positionen tätig, zuletzt 14 Jahre als Geschäftsführer. Seine besonderen Interessen sind Innovationen im IT Bereich.