Viele Unternehmen glauben, ihre internen Abläufe zu kennen – doch die Realität sieht oft anders aus. Zwischen ERP-System, CRM, E-Mail-Kommunikation und manuellen Workarounds entstehen digitale Spuren, die selten zusammenhängend analysiert werden. Genau hier setzt Business Process Mining an. In Kombination mit Künstlicher Intelligenz (KI) entsteht ein mächtiges Werkzeug, das nicht nur Prozesse sichtbar macht, sondern auch aktiv optimiert – und das alles auf Basis realer Daten.

Der Begriff „Business Process Mining“ gewinnt 2025 massiv an Relevanz. Kein Wunder: Laut Gartner werden über 80 % der mittelständischen Unternehmen in Europa bis 2027 Process-Mining-Technologien einsetzen – getrieben durch Digitalisierungsdruck, neue ESG-Vorgaben und wachsende Anforderungen an Compliance und Effizienz. In diesem Beitrag zeigen wir, wie KI-gestütztes Process Mining funktioniert, welche konkreten Vorteile es bietet und wie Unternehmen – insbesondere KMU – diese Technologie strategisch einsetzen können.

 

Was ist Business Process Mining?

Von der Theorie zur Wirklichkeit

Business Process Mining ist eine datenbasierte Analysemethode, mit der reale Unternehmensprozesse auf Basis digitaler Spuren rekonstruiert, visualisiert und ausgewertet werden. Anstatt sich auf veraltete Prozessdiagramme oder subjektive Einschätzungen zu verlassen, nutzt Process Mining Event-Logs aus IT-Systemen – beispielsweise Zeitstempel aus ERP-Systemen wie Odoo oder SAP, CRM-Aktivitäten oder E-Commerce-Transaktionen.

Die zentrale Frage lautet: Wie laufen Prozesse wirklich ab – und wo weichen sie vom Soll-Prozess ab?

Der Unterschied zu klassischen Prozessanalysen

Anders als traditionelle Prozessmodellierung, die auf Interviews oder Workshops basiert, stützt sich Process Mining auf objektive Daten. Dadurch werden Schwachstellen wie Bottlenecks, unnötige Schleifen, manuelle Eingriffe oder regelwidriges Verhalten (Non-Compliance) aufgedeckt – schnell, transparent und ohne subjektive Verzerrung.

 

Warum KI der Game-Changer ist

Künstliche Intelligenz trifft Prozessanalyse

Moderne Process-Mining-Tools integrieren KI, um Muster zu erkennen, Ursachen zu analysieren und Optimierungsvorschläge zu liefern. Maschinelles Lernen kann etwa erkennen, warum bestimmte Lieferantenprozesse immer wieder aus dem Takt geraten oder warum Zahlungsverzögerungen auftreten.

Beispiel: Ein KI-Modul erkennt, dass sich Kundenreklamationen häufen, wenn ein bestimmter Lieferweg genutzt wird – obwohl der Prozess an sich „regelkonform“ abläuft. Diese Erkenntnis wäre ohne intelligente Mustererkennung kaum möglich.

Predictive & Prescriptive Analytics

  • Predictive Process Mining nutzt historische Daten, um zukünftige Prozessprobleme vorherzusagen. Zum Beispiel: „Dieser Auftragsprozess hat eine 78 %-Wahrscheinlichkeit, länger als 5 Tage zu dauern.“
  • Prescriptive Process Mining geht noch einen Schritt weiter: Es gibt konkrete Handlungsempfehlungen, etwa „Nutze Lieferant B statt A, um 2 Tage zu sparen“.

 

Einsatzbereiche in der Praxis

1. Einkauf & Lieferketten

Process Mining deckt auf, warum Bestellungen verzögert sind, wo doppelte Bestellungen entstehen oder wie Freigabeprozesse automatisiert werden können. Gerade im Hinblick auf ESG-Vorgaben und Lieferkettensorgfaltspflicht ist volle Transparenz entscheidend.

KI-Einsatzbeispiel: Automatische Klassifizierung von Risiken in der Lieferkette basierend auf Verspätungen, Ländern oder Compliance-Risiken.

2. Finanzprozesse & Buchhaltung

Der Purchase-to-Pay-Prozess ist ein Klassiker im Process Mining. Tools erkennen z. B., dass manche Rechnungen ohne Bestellung eingehen (Compliance-Verstoß!) oder dass ein Genehmigungsschritt immer wieder manuell übergangen wird.

Mehrwert: Zeitersparnis durch Automatisierung und Reduktion von Prüfaufwand bei Audits.

3. Onboarding & HR-Prozesse

Wie lange dauert das Onboarding neuer Mitarbeitender wirklich? Wer sind die „Bottlenecks“ im Prozess? Process Mining deckt interne Ineffizienzen auf, die Produktivität und Mitarbeiterzufriedenheit beeinträchtigen können.

 

Vorteile für Unternehmen

1. Transparenz statt Bauchgefühl

Alle Prozessschritte werden als Ist-Zustand visualisiert – inklusive Schleifen, Ausnahmen und manuellen Eingriffen.

2. Compliance & Audits vereinfachen

Process Mining kann automatisch regelwidriges Verhalten erkennen (z. B. „Rechnung ohne Bestellbezug“) und liefert revisionssichere Nachweise – ein Plus bei internen und externen Prüfungen.

3. Optimierungspotenzial erkennen

KI zeigt auf, wo Prozesse standardisiert, automatisiert oder gestrafft werden können – und wie viel Einsparungspotenzial besteht.

4. Datengestützte Entscheidungen

Anstatt sich auf subjektive Einschätzungen zu verlassen, können Manager Entscheidungen auf Basis realer, vollständiger Prozessdaten treffen.

 

Welche Tools kommen infrage?

Odoo: Process Mining in einem modularen ERP-System

Odoo bietet keine native Process-Mining-Engine, aber durch Integration von Drittanbieter-Tools wie Apromore oder durch Erweiterungen über das Odoo Studio lassen sich Prozesse sehr granular analysieren. Besonders spannend ist die Kombination mit KI-Modulen für Automatisierung und Vorhersagen.

Beispiel: Analyse von CRM-to-Invoice-Prozessen – von Lead-Eingang über Angebotsstatus bis zur Rechnungsstellung – mit automatischer Warnung bei Prozessverzögerungen.

SAP Signavio: Der Marktführer für Enterprise Process Mining

Signavio (von SAP übernommen) ist speziell auf große Unternehmen zugeschnitten. Es bietet tief integrierte Funktionen für Process Intelligence, Compliance-Checks und Optimierungssimulationen – ideal für komplexe Produktions- oder Finanzprozesse.

Besonders wertvoll: Kombination aus Process Mining und Business Rule Enforcement, um regelbasierte Steuerung in Echtzeit zu ermöglichen.

 

Schritt-für-Schritt: So gelingt der Einstieg

1. Prozessziele definieren

Welche Prozesse sollen analysiert werden? Wo vermuten Sie Verbesserungspotenzial? Mögliche Kandidaten: Rechnungsfreigabe, Urlaubsanträge, Lieferantenbestellung.

2. Datenquellen identifizieren

Die wichtigsten Quellen: ERP-Systeme (z. B. Odoo, SAP), CRM, Ticket-Systeme, Zeiterfassungstools. Wichtig: Event-Logs mit Zeitstempeln und Nutzeraktivitäten.

3. Toolauswahl & Setup

Je nach Unternehmensgröße eignen sich cloudbasierte Tools (z. B. Celonis Snap, Apromore, UiPath Process Mining) oder ERP-Integrationen wie Odoo Studio mit BI-Dashboards.

4. Analyse & Visualisierung

Lassen Sie sich den tatsächlichen Ablauf Ihrer Prozesse zeigen – inklusive Durchlaufzeiten, Abweichungen und manuellen Eingriffen.

5. Maßnahmen ableiten & testen

Nutzen Sie KI-gestützte Empfehlungen und testen Sie in kleinen Schritten Prozessveränderungen (z. B. Reduktion von Genehmigungsschritten).

6. Monitoring & kontinuierliche Verbesserung

Process Mining ist keine Einmal-Aktion, sondern ein kontinuierlicher Verbesserungsprozess.

 

Typische Herausforderungen – und wie man sie löst

Herausforderung Lösungsvorschlag
Datensilos Aufbau eines zentralen Datenhubs oder Einsatz von ETL-Tools
Widerstand bei Mitarbeitenden Frühzeitige Einbindung & transparente Kommunikation
Fehlende Kompetenzen Schulungen oder Zusammenarbeit mit spezialisierten Partnern
Datenschutzbedenken Pseudonymisierung & DSGVO-konforme Auswertung

 

Fazit: Process Mining + KI = Wettbewerbsfaktor

Process Mining mit KI ist nicht nur ein IT-Tool, sondern ein strategisches Steuerungsinstrument für zukunftsfähige Unternehmen. Wer heute seine Prozesse versteht und optimiert, wird morgen schneller, agiler und resilienter auf Marktveränderungen reagieren können – sei es im Einkauf, in der Produktion oder in der Kundenbetreuung.

Gerade für mittelständische Unternehmen, die sich im Dschungel der digitalen Transformation behaupten müssen, ist Process Mining mit KI ein pragmatischer Weg zu mehr Effizienz, Transparenz und Compliance – ohne gleich Millionen in riesige BI-Landschaften investieren zu müssen.

Für Sie als Service: Unser PDF-Guide: „Prozessanalyse mit KI – Der 7-Schritte-Plan für den Mittelstand“
✔ Checkliste für den Einstieg
✔ Tool-Vergleich (Odoo, SAP Signavio, Celonis etc.)
✔ Praxisbeispiele & KPI-Tipps
✔ DSGVO-Hinweise für rechtskonforme Analyse

Ideal für IT-Leitung, Geschäftsführung und Prozessverantwortliche. Jetzt herunterladen: PDF Guide Business Process Mining

Jens

Dr. Jens Bölscher ist studierter Betriebswirt mit Schwerpunkt Wirtschaftsinformatik. Er promovierte im Jahr 2000 zum Thema Electronic Commerce in der Versicherungswirtschaft und hat zahlreiche Bücher und Fachbeiträge veröffentlicht. Er war langjährig in verschiedenen Positionen tätig, zuletzt 14 Jahre als Geschäftsführer. Seine besonderen Interessen sind Innovationen im IT Bereich.