Der globale Wettlauf um Künstliche Intelligenz (KI) gewinnt weiter an Geschwindigkeit. Am 8. September 2025 wurde ein Deal bekanntgegeben, der diesen Trend auf ein neues Niveau hebt: Microsoft und die niederländische Nebius Group haben eine Vereinbarung über die Bereitstellung von KI-Infrastruktur im Wert von bis zu 19,4 Milliarden US-Dollar geschlossen. Über die kommenden fünf Jahre soll Microsoft GPU-Kapazitäten aus Nebius-Rechenzentren beziehen, um die wachsende Nachfrage nach KI-Rechenleistung zu decken. Dieser Artikel beleuchtet, warum dieser Deal für beide Unternehmen entscheidend ist, wie er den globalen KI-Markt beeinflusst und welche Perspektiven sich daraus ergeben.

Hintergrund: Wer ist Nebius?

Nebius ist noch ein vergleichsweise junger Name in der internationalen Technologielandschaft. Das Unternehmen ging 2024 aus der Umstrukturierung von Teilen des russischen Internetkonzerns Yandex hervor und positioniert sich seither als Anbieter von spezialisierter KI-Infrastruktur. Der Fokus liegt klar auf Hochleistungsrechenzentren, die mit modernsten Nvidia-GPUs ausgestattet sind und sowohl Cloud-Kunden als auch großen Technologiekonzernen zur Verfügung stehen. Nebius unterscheidet sich dabei von klassischen Hyperscalern wie Amazon Web Services oder Google Cloud: Statt ein umfassendes Cloud-Ökosystem anzubieten, konzentriert sich Nebius auf den Bereich High Performance Computing (HPC) und KI-Workloads.

Technologisch setzt Nebius auf enge Integration zwischen Hardware und Software. Das Unternehmen war eines der ersten in Europa, das Nvidia-Blackwell-Chips in großem Maßstab implementierte, und bietet seinen Kunden nicht nur rohe Rechenleistung, sondern auch optimierte Software-Stacks, die auf maschinelles Lernen und generative KI zugeschnitten sind. Damit will Nebius ein Alleinstellungsmerkmal schaffen: maximale Leistung bei minimalen Latenzen – ein entscheidender Faktor für Unternehmen, die KI in Echtzeit einsetzen möchten.

Die Details des Deals

Der Vertrag mit Microsoft hat ein Volumen von mindestens 17,4 Milliarden US-Dollar über fünf Jahre. Sollte der Bedarf steigen, kann er auf bis zu 19,4 Milliarden anwachsen. Microsoft wird die Kapazitäten aus einem neuen Nebius-Rechenzentrum in Vineland, New Jersey, beziehen. Dieses ist speziell auf GPU-Cluster für KI-Training und -Inference ausgelegt. Damit folgt Microsoft einem Trend, der bereits mit ähnlichen Partnerschaften, etwa mit CoreWeave, sichtbar wurde: Anstatt ausschließlich auf eigene Rechenzentren zu setzen, lagert der Konzern Teile seiner Infrastruktur an spezialisierte Anbieter aus, die flexibler und schneller skalieren können.

Für Nebius bedeutet dieser Deal eine planbare Einnahmequelle, die das Unternehmen auf Jahre hinaus absichert. Allein die feste Abnahme durch Microsoft macht Nebius zu einem der am schnellsten wachsenden Anbieter im globalen AI-Cloud-Segment. Für Microsoft wiederum ist der Deal ein strategischer Schachzug, um die Kapazitäten von Azure AI und die Integration von OpenAI-Diensten abzusichern. Gerade in Zeiten, in denen die Nachfrage nach generativer KI explodiert, ist zusätzliche GPU-Power Gold wert.

Bedeutung für Nebius

Für Nebius ist der Vertrag mit Microsoft ein Ritterschlag. Binnen weniger Tage nach der Ankündigung stieg die Aktie des Unternehmens um mehr als 50 Prozent. Analysten bewerten die Vereinbarung als Wendepunkt: Aus einem ambitionierten Infrastruktur-Startup ist ein global relevanter Player geworden. Der langfristige Vertrag erlaubt es Nebius, seine Expansion in Nordamerika und Europa zu beschleunigen, weitere Rechenzentren aufzubauen und in Forschung sowie Softwareoptimierung zu investieren.

Zugleich verschafft die Partnerschaft Nebius Zugang zu einem der einflussreichsten Netzwerke im Tech-Sektor. Die enge Zusammenarbeit mit Microsoft könnte mittelfristig auch zu gemeinsamen Projekten im Bereich Plattformintegration führen. Denkbar wären beispielsweise optimierte Schnittstellen zwischen Azure-Diensten und Nebius-Infrastruktur oder spezielle Angebote für Unternehmenskunden, die KI-Workloads auslagern möchten.

Darüber hinaus stärkt der Deal die Glaubwürdigkeit von Nebius gegenüber weiteren potenziellen Kunden. Wenn ein Gigant wie Microsoft auf Nebius setzt, signalisiert das Zuverlässigkeit und Qualität. Es ist daher wahrscheinlich, dass andere große Unternehmen – sei es aus der Tech- oder Finanzbranche – ebenfalls Partnerschaften mit Nebius in Erwägung ziehen. Damit könnte Nebius in direkte Konkurrenz zu CoreWeave und ähnlichen Anbietern treten und den Markt für spezialisierte AI-Cloud-Dienste neu ordnen.

Bedeutung für Microsoft

Für Microsoft ist die Kooperation mit Nebius vor allem ein Mittel, um die eigene KI-Strategie auf sichere Beine zu stellen. Das Unternehmen hat sich durch seine enge Verbindung mit OpenAI und die Integration von KI-Diensten in Produkte wie Office, Teams oder Azure als Vorreiter positioniert. Doch diese Strategie hat einen hohen Preis: Die Nachfrage nach Rechenleistung wächst rasant, und interne Kapazitäten reichen längst nicht mehr aus.

Indem Microsoft Kapazitäten bei Nebius einkauft, kann es Engpässe vermeiden und zugleich die eigene Investitionslast reduzieren. Statt Milliarden in neue Rechenzentren zu stecken, verteilt der Konzern das Risiko auf externe Partner. Das schafft Flexibilität und erlaubt es Microsoft, kurzfristig auf Marktbedürfnisse zu reagieren. Sollte die Nachfrage nach KI-Services unerwartet sinken, kann Microsoft die Nutzung drosseln, ohne selbst auf überdimensionierter Infrastruktur sitzenzubleiben.

Strategisch ist der Deal auch ein Signal an Investoren und Wettbewerber: Microsoft ist bereit, neue Wege zu gehen, um seine Führungsrolle im KI-Bereich zu behaupten. Der Konzern sichert sich damit nicht nur zusätzliche GPU-Power, sondern stärkt auch sein Image als Innovationsmotor, der keine Scheu hat, mit aufstrebenden Spezialisten zusammenzuarbeiten.

Auswirkungen auf den globalen KI-Markt

Der Deal zwischen Microsoft und Nebius ist mehr als eine reine Liefervereinbarung. Er zeigt, wie sich die Strukturen im Cloud- und KI-Markt verändern. Während Hyperscaler wie Amazon, Google oder Microsoft früher fast ausschließlich auf eigene Infrastruktur setzten, entsteht nun ein Ökosystem aus sogenannten „Neoclouds“. Diese Anbieter konzentrieren sich auf einzelne, hochspezialisierte Segmente – in diesem Fall GPU-Cluster für KI – und ergänzen die Angebote der Großen.

Das Zusammenspiel von Hyperscalern und Neoclouds könnte zum dominanten Modell der kommenden Jahre werden. Unternehmen profitieren von mehr Auswahl, Wettbewerb sorgt für niedrigere Preise und bessere Leistungen, und Innovation wird beschleunigt. Gleichzeitig erhöht sich aber auch die Abhängigkeit von wenigen Schlüsselanbietern, insbesondere von Nvidia, deren GPUs das Fundament dieser neuen Cloud-Strukturen bilden.

Für Europa ist der Deal ebenfalls von Relevanz. Nebius hat angekündigt, auch in europäischen Ländern neue Standorte aufzubauen und Kunden dort mit lokaler Infrastruktur zu versorgen. Das könnte die Diskussion um digitale Souveränität und den Aufbau eigener KI-Kapazitäten befeuern. Für Unternehmen, die Wert auf Compliance und Datensicherheit legen, bietet das eine spannende Alternative zu rein US-dominierten Anbietern.

Chancen und Risiken

So vielversprechend der Deal ist, birgt er auch Risiken. Für Nebius besteht die Gefahr, zu stark von einem einzigen Großkunden abhängig zu werden. Sollte Microsoft seine Strategie ändern oder die Nachfrage sinken, könnte das gravierende Folgen haben. Um dem entgegenzuwirken, muss Nebius sein Kundenportfolio diversifizieren. Dieser Prozess ist jedoch schon in vollem Gange: Nebius hat zwar noch keine offiziell bestätigten Verträge mit Google als eigenständigem Kunden, ist jedoch in Forschungsprojekten involviert, in denen auch Google DeepMind mitwirkt (z. B. CRISPR-GPT). Parallel arbeitet das Nebius-Tochterunternehmen Toloka bereits jetzt eng zusammen mit Amazon, Microsoft und Anthropic.

Microsoft wiederum macht sich durch die Partnerschaft von der Zuverlässigkeit Nebius’ abhängig. Fällt das Rechenzentrum in New Jersey aus oder kommt es zu Verzögerungen beim Ausbau, könnte das die KI-Pläne des Konzerns ausbremsen. Hinzu kommen geopolitische Faktoren: Da Nebius teilweise aus einem russischen Umfeld (ehemals Yandex) hervorgegangen ist, könnten regulatorische Fragen oder politische Spannungen zusätzliche Herausforderungen darstellen.

Fazit und Ausblick

Der Milliarden-Deal zwischen Microsoft und Nebius markiert einen Wendepunkt im globalen KI-Markt. Er stärkt Nebius als ernstzunehmenden Player und sichert Microsoft den dringend benötigten Zugang zu GPU-Kapazitäten. Beide Unternehmen profitieren kurzfristig von der Partnerschaft – Nebius durch finanzielle Stabilität und Wachstum, Microsoft durch mehr Flexibilität und Skalierbarkeit.

Langfristig könnte das Modell Schule machen. Immer mehr Tech-Giganten werden Partnerschaften mit spezialisierten Anbietern eingehen, um den steigenden Anforderungen der KI-Ära gerecht zu werden. Für die Branche insgesamt bedeutet das mehr Dynamik, mehr Innovation – aber auch neue Abhängigkeiten. Ob Nebius dauerhaft neben CoreWeave und anderen Neoclouds bestehen kann, hängt davon ab, ob das Unternehmen seine Expansion konsequent vorantreibt und weitere große Kunden gewinnt.

Eines ist jedoch klar: Dieser Deal wird die Karten im KI-Wettlauf neu mischen und könnte sich als Blaupause für die Zukunft der Cloud-Infrastruktur erweisen.

Jens

Dr. Jens Bölscher ist studierter Betriebswirt mit Schwerpunkt Wirtschaftsinformatik. Er promovierte im Jahr 2000 zum Thema Electronic Commerce in der Versicherungswirtschaft und hat zahlreiche Bücher und Fachbeiträge veröffentlicht. Er war langjährig in verschiedenen Positionen tätig, zuletzt 14 Jahre als Geschäftsführer. Seine besonderen Interessen sind Innovationen im IT Bereich.