Südkorea hat künstliche Intelligenz (KI) offiziell zum obersten wirtschaftspolitischen Schwerpunkt erklärt. Die Regierung stellte in ihrem ersten halbjährlichen Wirtschaftsplan unter Präsident Lee Jae-myung ein Paket aus 30 KI- und Innovationsinitiativen vor – flankiert von einem öffentlich-privaten Fonds über ₩100 Billionen (≈ 71–75 Mrd. US-$), der strategische Branchen finanzieren soll.

Der Fonds – in Regierungsdokumenten und Medienberichten als nationales Wachstumsvehikel skizziert – soll Kapital aus Staat und Privatwirtschaft bündeln und in Zukunftsbereiche wie KI, Halbleiter und erneuerbare Energien fließen. Der Präsident selbst betonte die große Bedeutung einer schnellen Umsetzung dieses mehrjährigen, öffentlich-privaten Instruments.

Warum jetzt? Der wirtschaftspolitische Kontext

Die Regierung senkte jüngst ihre Wachstumsprognose und sieht die “große Transformation zur KI” als Weg, das Potenzialwachstum wieder zu erhöhen. Geplant sind Finanzierungsmaßnahmen, steuerliche Anreize und regulatorische Erleichterungen, um private Investitionen zu mobilisieren und Südkorea unter die Top-3-KI-Nationen zu führen.

Die 30 Initiativen: Wo die Mittel ankommen

Die Programme decken sowohl Deep-Tech als auch Schlüsselindustrien ab. Genannt wurden u. a. Robotik, Automotive, Schiffbau, Hausgeräte, Drohnen, Smart-Factories, Chips sowie Materialtechnologien und kulturnahe Segmente wie K-Beauty und K-Food. Ziel ist es, KI vom Algorithmus bis in die Fabrikhalle und zum Endprodukt zu bringen.

Schwerpunktfelder (Auswahl)

  • KI-gestützte Fertigung & Robotik (Smart-Factory, autonome Systeme)
  • Mobilität (Fahrzeugsoftware, vernetzte/automatisierte Systeme, maritime KI)
  • Halbleiter & Recheninfrastruktur (Beschleuniger, KI-Rechenzentren)
  • Consumer & Kultur (Hausgeräte-KI, K-Beauty/K-Food-Innovation)
  • Fortschrittliche Materialien (für Chips, Energie & Industrieprozesse)

Der ₩100-Billionen-Fonds: Funktionsweise in Kürze

Der Fonds wird gemeinsam von öffentlichem Sektor und Privatwirtschaft getragen und soll Kapital gezielt in “strategische Zukunftsindustrien” lenken – mit einer Pipeline von KI-Projekten, die in der zweiten Jahreshälfte 2025 anläuft. Damit will Seoul nicht nur Start-ups und Scale-ups finanzieren, sondern auch Großprojekte in Infrastruktur, Talente und industrielle Anwendungsschichten.

Was bedeutet das für Europa und Deutschland?

Für europäische Anbieter in Halbleitern, Industrie-KI, Robotik, Energie & Materialien entstehen Chancen für Kooperationen, Zulieferungen und F&E-Partnerschaften – insbesondere dort, wo Südkorea gezielt internationale Wertschöpfung einbindet (z. B. bei Foundry-Ökosystemen, KI-Rechenzentren oder industriellen Referenzprojekten). Gleichzeitig erhöht der Plan den Wettbewerbsdruck auf europäische Regionen, eigene KI-Wachstumsfonds, Talentprogramme und GPU-Infrastruktur schneller zu skalieren.

Strategische Einordnung: “Full-Stack-KI” als Standortlogik

Die Initiative adressiert die KI-Wertschöpfung end-to-end – von Forschung & Chips über Rechenzentren und Datengovernance bis zu branchenfertigen Anwendungen. Staaten, die diese Kette geschlossen anbieten, sichern sich Investitionen und Technologieführerschaft. Südkorea positioniert sich damit explizit als Full-Stack-KI-Standort.

Chancen für Unternehmen im Überblick

  • Markteintritt & Partnerschaften: Lokale Systemhäuser, Universitäten, Chaebol-Ökosysteme für Co-Innovation sondieren.
  • Fördertöpfe & Pilotprojekte: Konsortialprojekte in Fertigung, Mobilität, Energie und Materialien priorisieren.
  • Talent & Forschung: Duale Teams in Korea aufbauen (Data/ML + Industrie-Domäne) und Austauschprogramme nutzen.
  • IP & Compliance: Datenzugang, Exportkontrollen, Sicherheits- und KI-Regulierung frühzeitig klären.
  • Lieferketten: Chip-, Sensor-, Edge- und Rechenzentrums-Zulieferungen auf JV- und Long-Term-Verträge ausrichten.

Risiken & offene Fragen

  • Allokation & Governance: Wie werden die ₩100 Billionen über Branchen, Unternehmensphasen und Instrumente (Eigenkapital, Kredit, Garantien) verteilt?
  • Globaler Handel: Wechselwirkungen mit US-Zöllen, lokale Content-Regeln und Exportkontrollen können Projekte beeinflussen.
  • Talentwettbewerb: Aufbau von KI-Fachkräften bleibt Engpass – internationale Rekrutierung und Bildungsprogramme sind entscheidend.

Fazit

Mit 30 Initiativen und einem Fonds über ₩100 Billionen setzt Südkorea ein klares Signal: KI ist nicht nur Tech-Agenda, sondern Wachstumsstrategie. Für Unternehmen in und außerhalb Koreas öffnen sich Fenster für Kooperationen in Fertigung, Mobilität, Chips und Energie – wer frühzeitig Partnerschaften schmiedet, profitiert von Skaleneffekten, regulatorischer Rückenwind-Politik und einer stark vernetzten Innovationslandschaft. Für weitere Informationen kontaktieren Sie uns gerne oder schauen sich den Reuters-Bericht vom 22. August 2025 und den Bericht in der Korea JoongAng Daily vom 30. Juli 2025 an.

Jens

Dr. Jens Bölscher ist studierter Betriebswirt mit Schwerpunkt Wirtschaftsinformatik. Er promovierte im Jahr 2000 zum Thema Electronic Commerce in der Versicherungswirtschaft und hat zahlreiche Bücher und Fachbeiträge veröffentlicht. Er war langjährig in verschiedenen Positionen tätig, zuletzt 14 Jahre als Geschäftsführer. Seine besonderen Interessen sind Innovationen im IT Bereich.